Depowern bei Starkwind

Wenn man ein RS Aero bei frischen Bedingungen gegen den Wind segelt, würde die konventionelle Art einen festen Baumniederholer, viel Cunningham und ein einigermaßen straffes Unterliek vorschreiben. Das Ergebnis ist ein flacher, effizienter Segelschnitt mit geringem Widerstand. Aber wie sollte der Segeltrimm sein, wenn der Wind zunimmt und Ihr Komfortniveau überschreitet?
Spitzenwindstärke

Für jeden Segler gibt es eine Spitzenwindstärke, jenseits derer das Segeln schwierig und langsam wird. Unterhalb dieses Punktes beherrscht die Segler*inn das Boot. Sie hängen hart und können effizient und schnell segeln. Aber oberhalb dieses Punktes scheint es, dass der Wind und das Boot sich verschwören, gegen die Meister*inn. Die Kontrolle zu behalten, wird zunehmend schwieriger. Das Boot taumelt mit jeder Böe, rutscht zur Seite und wird deutlich langsamer.
Was das Limit ist, hängt von der Erfahrung des Seglers, seinem Gewicht und dem Seegang ab. Für erfahrenere aero Segler kann die Windspitze mit bis zu 20-22 Knoten Wind recht hoch sein Für Einsteiger und leichtere Segler kann die kann die Grenze viel niedriger sein, bis zu oder unter 15 Knoten.
Beim Aero kann diese Windspitzengrenze erhöht werden, indem das Schwert ein wenig angehoben wird (0-2) und indem man das Segel so flach wie möglich macht, indem man Cunningham, Baumniederholer und Unterliekstrecker maximal dicht nimmt. Aber was kann man jenseits dieses Punktes tun?
Bevor wir die Lösung erklären, müssen wir zuerst den Aero-Mast betrachten. Dies ist kein Laser!
Aero Mast
Der Aero-Mast ist sehr biegsam, so sehr, dass er bei einer sehr starken Brise bei sehr starkem Wind leicht über die maximale, in das Vorliek des Segels geschnittene Kurve hinaus überbiegt (vor/zurück). Wenn das passiert, sehen Sie diagonale Überbiege-Falten im Segel, die am Schothorn in der Nähe des Baums beginnen und sich entlang der inneren Enden der Segellatten in Richtung des Mastes ziehn. Das Biegen des Mastes über diesen Punkt hinaus zu biegen, macht das Segel nicht flacher, sondern erzeugt eine ineffiziente Form, bei der die Leeströmung kollabiert und an der Innenkante der Latten vertikal hängen bleibt.
Im Bild unten links, ein normales Segel bei mittlerem Wind ohne Überbiegefalten. Rechts, ein Segel mit maximalem Vorliek und beginnenden Überbiegefalten.

Seitliche Biegung
Der Aero-Mast ist auch seitlich biegsam, so dass sich der Mast bei jeder Böe seitlich im Top biegt und so das Achterliek im Top öffnet und den Druck raus läßt. Die seitliche Biegung ermöglicht es dem Aero, die Leistung in Böen automatisch zu reduzieren ohne dass dies durch Nachlassen der Großschot kompensiert werden muss. So krängt oder taumelt das Boot nicht, sondern beschleunigt in Böen vorwärts und ist viel leichter zu kontrollieren. Das ist sehr wünschenswert, da das Boot automatisch die Leistung reduziert und sich selbst auf die Dynamik des Windes einstellt. Je dichter der Baumniederholer ist, desto weniger biegt sich der Mast seitlich durch und desto weniger Leistung wird abgegeben.
Viel Baumniederholer ist bis zu einem bestimmten Punkt gut
Der Vang (Kicker) am RS Aero erfüllt zwei Zwecke:
- Er flacht das Segel durch Biegen des Mastes ab
- Er strafft das Achterliek, um den Twist im Segel zu reduzieren
Diese Zwecke sind beide bei mittleren Bedingungen wünschenswert, aber bei starker Brise, wenn es ständig überpowert ist und das Boot taumelt, wird das straffe Achterliek zu einem Problem. Das Top des Segels hat zu viel Power, und läßt sich in Böen nicht schnell genug fieren und dicht nehmen. Bei wirklich starker Brise ist eine andere Herangehensweise effektiver, bei der der Niederholer etwas gelöst wird und die Cunningham mehr angezogen wird.
Cunningham
Der Aero-Cunningham biegt den Mast ebenfalls, aber auf eine andere Weise als der Kicker. Er streckt das Segel, um den Bauch nach vorne zu ziehen und das Segel flacher zu machen, besonders im oberen Bereich. Der Cunningham komprimiert das achtere Ende des Mastes. Und weil er so flexibel ist, biegt er den Mast sehr effektiv, sodaß der vordere Teil des Segels flach wird. Wenn man es bis zum Maximum zieht, kann man kann man das Top des Segels komplett flach ziehen. Bei starker Brise kann man das Top des Segels komplett flachstellen. Dies ist wichtig bei starker Brise. Bei sehr starker Brise kann man die Cunningham nicht stark genug anziehen. Es kann etwas beängstigend sein, den Cunningham so stark anzuziehen (zwei Hände erforderlich), aber es ist schnell und unter diesen Bedingungen unerlässlich.
In Kombination genutzt, etwas weniger Baumniederholer und maximale Cunningham ist es eine effektive Art das Segel zu depowern und so händelbar zu machen
Mehr Twist bitte
Betrachte diese beiden Bilder, die am selben Tag bei einer Brise von 22 Knoten aufgenommen wurden. Schau Dir den Winkel der oberen Latte in beiden Bildern a


Das erste Bild ist mit traditionellen Stark-Wind Trimm. Viel Cunningham, Kicker und Unterliekstrecker. Das Achterliek hat wenig Twist und ist ziemlich gerade. Das Segel hat durchgehend Power.
Das zweite Bild zeigt das Segel mit ca. 10-15cm nachgelassenem Kiecker , die Cunningham auf Maximum(volle Kanne bis ans Deck) und 1-2cm gefiertem Unterliek. Das Segel hat viel mehr Twist und das Top des Segels ist sehr offen. Die Kraft liegt in der unteren Hälfte des Segels.
An diesem Tag war der stärker verdrehte Trimm deutlich einfacher zu segeln und hatte eine größere Beschleunigung aus den Wellen heraus.
Warum mehr Twist funktioniert
Die Verwendung von weniger Kicker bedeutet mehr Twist und das Segeltop ist offener in einem größeren Winkel zum Wind. Das bedeutet weniger Power in der Höhe und einen niedrigeren Druckpunkt am Wind. Dies macht das Boot stabiler und leichter zu kontrollieren.
Weniger Baumniederholer hilft dem Mast, sich seitlich zu biegen, was bei Böen den Druck oben frei gibt. Dies hilft dem Boot, sich automatisch bei Böen einzustellen und in wechselnden Windgeschwindigkeiten über Wellen zu kommen.
Die Verwendung von maximalem Cunningham flacht das Segeltop ab und hilft auch, das Segel aufzudrehen. Das Nachlassen der Unterliekpannung gibt dem Segel etwas mehr Power im unter Bereich, was in großen Wellen nützlich ist, um das Boot wieder zu beschleunigen.
Das Schwert sollte 10-15 cm angehoben werden, damit sich das Boot in Böen nicht über das Schwert schräg stellt. Das Boot wird sich etwas „matschig“ anfühlen, da es ein wenig zur Seite rutscht, aber das ist in erster Linie nur ein anderes Gefühl und scheint die Leistung nicht zu beeinträchtigen. Erstaunlich ist, dass man mit angehobenem Schwert weniger Höhe verliert als die Segler*inn, die Ihr Boot krängen lässt mit dem gesamten Schwert unter Wasser.
Schließlich segel das Boot sehr flach – fast niemand segelt das Boot flach genug. Flach ist schnell. Es ist schneller, das Segel zu sehr zu fieren, sogar mit Gegenbauch zu segeln und das Boot flach zu halten, als das Boot in Böen krängen zu lassen.
Überleben
Schließlich, wenn es zu Überlebensbedingungen wird und das Rennen aufgeben oder der Kurs nur noch zu Ende gesegelt werden muss, fiere den Baumniederholer stark nach (50 % oder mehr), auf der Kreuz oder im Reach. Lassen Sie alle anderen Controls auf hart. Die obere Hälfte des Segels wird komplett depowern und man wird viel mehr Kontrolle haben. Es wird langsam, aber sicher sein.
Entspanne den Baumniederholer noch mehr, als man es normalerweise tun würden, aber nicht zu sehr. Zu viel Twist kann das Boot ziemlich kippelig machen. Trimme die Großschot so, dass der Baum nur zu 60 % ausgefahren ist. Halte das Schwert unten und bewegen Dich soweit zum zum Heck des Bootes, wie es geht. Das wird ist die stabilste Konfiguration.